Der Sommer streicht so langsam seine Segel und geht in einen (hoffentlich) wundervollen, leuchtenden Herbst über. Wie schön ist es da, noch einmal in Urlaubserinnerungen zu schwelgen, insbesondere wenn sie einfach einmalig waren…! In dem heutigen Gastbeitrag nimmt euch Bettina mit auf die Reise. Bettina und ich haben uns auf einem Seminar von Christian Bischoff kennengelernt, denn auch sie macht auf eine ganz besondere Weise „ihr Ding“. Sie ist Yogalehrerin und hat ein Übungskonzept namens „Businessyoga für Berufstätige entwickelt, um sich in der hektischen Arbeitswelt besser zu entspannen. Ich freue mich, dass sie heute meine Gastautorin ist und uns mit einem ganz spannenden, andersartigen Reisebericht beglückt.

Yoga und Segeln Eine Reise

Ich sitze im Büro an meinem Schreibtisch. Meine Augenfreiheit ist auf die Bildschirmdiagonale meines PCs begrenzt. Ich schließe für einen Moment die Augen. Plötzlich bin ich weit weg. Die Bilder von dem Yoga-Segeltörn werden in mir wieder lebendig. Ich höre das Meeresrauschen. Spüre mit einen Mal den Wind wieder auf meiner Haut. Sanft wiegt sich mein Körper im Rhythmus der Wellen. Meine Mundwinkel streben nach oben, ein breites Lächeln entsteht, als sei es das natürlichste auf der Welt. Und ja, tief in mir fühle ich es: Das ist es auch! Tat Tvam Asi! – (Sanskrit: Das bist du!).

Ich öffne die Augen. Ich bin wieder an meinem Arbeitsplatz. Meine Kollegin fragt mich, warum ich breit grinse. Ach so, ja, lachen und entspannte Gesichtszüge sind vor Abgabetermine und Deadlines eher unüblich. Aber warum eigentlich nicht? Was ist schon normal? Bei dieser Frage muss ich lachen! Und ein weiteres Mal kehren meine Gedanken auf diesen wunderschönen Segeltörn im Mittelmeer zurück. Kurz bevor es losging, wurde ich stirnrunzelnd gefragt: „Yoga und Segeln? Wie passt das denn zusammen??!“ Ich wußte, was sie meinen. Yogis fliegen nach Indien. In den Ashram. In den Himalaya. Aber auf ein Yoga-Schiff? Nicht normal. Aber was ist normal? Diese Frage wird zu meinem Begleiter auf der Reise. Es ist wie ein Fragen-Mantra – es kommt und geht, wie es will. Festhalten unmöglich! Doch mein Vorsatz war gefasst: Yoga und Segeln – das passt!

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Die Zutaten: Man nimmt zuerst ein wunderschönes Segelschiff – genauer gesagt eine Gület. Das ist Schiff aus antikem Holz, wirkt sehr mittelalterlich und ist äußerst gemütlich. Dann fügt man noch vegetarische Kost hinzu (Keine Diskussion über vegetarische Kost oder sonstigen Yogi-Spezialwünsche. „Bio“ ist „normal“). Und zuguterletzt kommen noch ein Dutzend yogabegeisterte Menschen aus allen Regionen Deutschlands mit an Bord. Leinen los!

Der Ablauf: Ich bin auf dem Segelschiff und genieße die Sonne und den herrlichen Fahrtwind im Gesicht. Ich döse auf der Sonnenliege an Deck und schaue weit auf’s Meer hinaus. Alles ist so entspannt, ruhig und relaxt. Ich spüre, wie ich mich mehr fallen lassen kann. Wie bei einem Reifen, wo man das Ventil aufdreht, merke ich, wie Hektik und Stress aus mir herausströmen. Ich brauche mich um nichts kümmern. Es gibt nichts, gar nichts für mich zu tun. Herrlich!

Ich gehe an das Sonnendeck zur morgendlichen Yogastunde. Mein Atem wird ruhiger und gleichmäßiger. Die Asanas werden allmählich tiefer und mein Atem geht nahezu automatisch in Ujjayi über. Es fühlt sich gut an. Der Tag klingt mit einem leckeren Abendessen auf Deck aus. Wir genießen unseren eigenen Mikrokosmos ganz unter uns zu sein. Muss man sich woanders erklären, hier ist alles selbstverständlich. Ein ganz geschützter Rahmen, wo alles sein darf und nichts sein muss. Alles fühlt sich frei und ungezwungen an. Ist das normal? Jeder kann in seiner Zeit zu Bett gehen. Ich denke über die Zeit nach. Zeit ist relativ, Zeit ist individuell, Zeit kann ganz schnell und wieder langsam vergehen – auch nicht normal, denke ich und schlafe glücklich über mein Fragen-Mantra ein.

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In der nächsten Nacht schlafe ich an Deck. Unter dem Sternenzelt zu schlafen ist grandios! Absolute Dunkelheit, das Rauschen des Meeres, Ruhe und das herrliche Funkeln der Sterne. Ich fühle mich tief geborgen. Den Blick in den Sternenhimmel gerichtet – in das Mysterium des Universums und unter mir das Wiegen der Wellen. Die Naturgewalten, die sanft aber auch stark und zerstörend sein können. Ich erinnere mich, dass auch wir Menschen zu 70% aus Wasser bestehen und in uns Vayus (Sanskrit für „Wind“) Kräfte herrschen, die erst die Prozesse des Verdauens und Atems möglich machen. Was unterscheidet mich also von dem Meer und Wind? Mal aufbrausend, wild, aber auch sanft und ruhig kann ich sein. Alles ist in mir. Ist es normal, dass ich mich mit dem Meer vergleiche? Mein Fragen-Mantra … ich begrüße es zwischenzeitlich wie einen guten Freund.

Meine Asanas werden noch tiefer und gleichmäßiger. Mein Atem ist in Ujjayi. Mein Mund lächelte wie Buddha 2.0. Warum? Darüber musste ich nur lachen. Ich schaue in die Gesichter der anderen und sehe, dass es ihnen genauso ging. Der ganze Stress, die Anspannung löst sich auf, wie eine Maske, die abfällt. Und hervor kommen Gesichter der Freude und der Entspannung, ja das schönste strahlende Lächeln. Warum sollte es anders sein? Was ist „normal“? Ah, da ist sie schon wieder meine Frage.

Ich meditiere nachmittags auf dem Deck, spüre in mich hinein. Und all das Wissen, dass ich mir im Laufe der Jahre über Bücher oder Yoga-Seminare angeeignet habe, füllt sich in mir. Es füllt sich an und geht, wie die Wellen des Meeres. Mal bin ich „voll“, dann wieder völlig „leer“ und ich spüre, wie das theoretische Buch-Wissen sich zu meinem inneren Verstehen ausbreitet. In jede Körperzelle. Das ist bitte normal!

Yoga und Segeln am Abend

Die Wirkung: Yoga mal anders zu erleben, während eines Segeltörns, war eine grandiose Erfahrung. Denn in dieser Zeit fand ein so tiefes Zuhören, eine so tiefe Verbindung zu der Natur und somit zu meiner eigenen Natur statt. Es fanden sich Antworten und Erkenntnisse, die mich nun nach den unzähligen Seminaren und Büchern viel tiefer verstehen ließen, was in uns ist. Und was normal ist. Normal ist, wenn wir die Rolle und die Maske, die wir sonst bewusst oder unbewsst tragen, ablegen dürfen. Sichtbar wird unsere wahre Natur. Es wird sichtbar durch das Strahlen in den Augen und in unserem Gesicht. Ich bin „sat chit ananda“ (Sanskrit: Sein, Wissen und Glückseligkeit). Und das – DAS ist normal!

Die Nebenwirkungen: Yoga mal ganz anders zu erleben, macht Hunger auf mehr! Mich hat es so begeistert, dass ich die Reise unbedingt erneut machen möchte! Aber dieses Mal als Yogalehrerin auf dem Segelboot, denn ich habe beschlossen, die Reise nun selbst anzubieten. Habt ihr auch Lust, auf eine etwas andere Yoga-Erfahrung? Yoga anders zu erleben, heißt sich selbst anders zu erleben. Dazu braucht es den Rahmen, sich öffnen zu können – gezielte Yoga-Asanas, Meditationen und Entspannungsübungen begleiten die innere Reise. Ich freue mich, wenn ihr mit mir zu neuen Ufern segelt! Alles kann geschehen, nichts muss sein…also schaut mal auf meiner Seite vorbei und vielleicht sehen wir uns an Deck.

Eure Bettina

Fotoquelle: www.businessyoga-mannheim.de