Vor einigen Tagen habe ich es im Radio gehört: „Mein Haus, mein Auto, mein Stress“ Was noch vor einigen Jahren für materielle Dinge galt, trifft heute mehr denn je auf Stress zu. Laut einer aktuellen Studie aus den USA ist Stress zum Statussymbol geworden. Stress haben ist schick und wer keinen Stress hat, ist nichts! Im ersten Moment klingt das unvorstellbar, doch wenn wir ehrlich sind, treffen wir jeden Tag auf Menschen, die genau das leben – wenn wir nicht sogar selbst Betroffene sind. Mich hat diese Entwicklung zu einer neuen Blogserie inspiriert, in der ich mich mit der Stressfalle auseinandersetzen möchte und euch gleichzeitig Wege aufzeigen will, was ihr persönlich mit einfachen Mitteln dagegen tun könnt. „Die Kunst zu entspannen“ ist nämlich das genaue Gegenteil dieser Modeerscheinung. Doch heute am Anfang der neuen Blogserie gehen wir mal so richtig mitten rein in den STRESS…

Stress

Was ist eigentlich Stress und woher kommt Stress?

Der Begriff „Stress“ stammt ursprünglich aus der Physik. Dort wird die Veränderung eines Materials durch äußere Krafteinflüsse mit Stress beschrieben, welche eine Anspannung, Verbiegung oder Verzerrung des Materials zur Folge hat . Erst 1936 entlehnte der ungarische Arzt Hans Selye das Wort Stress und verwendete es für uns Menschen. Stress wurde demnach als ein Zustand der Alarmbereitschaft unseres Organismus – ausgelöst durch bestimmte innere oder äußere Reize – definiert, auf Grund derer sich unser Körper auf eine erhöhte Leistungsbereitschaft einstellt. So gesehen ist Stress erst einmal nichts Negatives, sondern eine sinnvolle, biologische und psychische Reaktion unseres Körpers, die uns befähigt großartige Leistungen zu erbringen und schwierige Situationen zu meistern. Dafür ist unser Organismus sogar gemacht! Doch kehrt sich Stress ins Negative und wird als belastend empfunden, wenn er sehr häufig oder dauerhaft auftritt und körperlich und/oder psychisch nicht kompensiert werden kann.

Die Reize (auch Stressoren genannt), welche den Stress auslösen, können ganz unterschiedlicher Art sein. Anhaltender Lärm, Klimabedingungen, Konflikte mit anderen Menschen, Zeitnot, Leistungsdruck, Geldmangel, Mobbing, ernste Krankheiten und vieles mehr. Die Auslöser von Stress sind so individuell, wie wir es auch sind. Was für einen von uns als negative Belastung empfunden wird, kann einen anderen Menschen geradewegs zum Aufblühen bringen. Ebenso haben wir ganz unterschiedliche Stressbewältigungsstrategien und sichtbare Folgen von langanhaltendem Stress, auf welche ich im nächsten Blogpost dieser Serie noch genauer eingehen werde. Dies führt jedoch dazu, dass Dauer-Stress für uns nicht immer sofort erkennbar ist – sowohl bei anderen Menschen als ganz besonders bei uns selbst. Es fängt schließlich ganz harmlos an. „Ach, es ist ja nur eine kurze stressige Phase, danach wird’s wieder ruhiger“, sagen wir uns optimistischerweise. Vielleicht genießen wir sogar noch das tolle Gefühl, auf einmal so leistungsfähig, höchst konzentriert und belastbar zu sein, doch merken wir nicht, wie es sich nach und nach ins Negative umkehrt und Stress zu unserem dauerhaften Lebensbegleiter wird. Oder wir beginnen es sogar richtig schick zu finden…

Warum ist es so gefährlich, dass Stress als „en vogue“ gilt?

Ich erlebe es immer wieder im Arbeitsleben. Auf meine Frage hin „Wie geht’s dir?“, höre ich fast jedes Mal von Kolleginnen und Kollegen die gleiche Antwort: „Viel zu tun. Viel Stress“. Dabei habe ich das gar nicht gefragt! Hingegen bekam ich noch nie die Antwort: „Mir geht’s super. Ich habe gerade eine richtig schön ruhige Phase in meinem Job und kann mich ein wenig gedanklich erholen, um bald mit neuer Kraft mein nächstes Projekt zu beginnen.“ Selbst, wenn es sogar mal phasenweise ruhig sein sollte, wird trotzdem lieber behauptet, viel Stress zu haben. Schließlich ist Stress haben „in“ und Erholung total „out“. Wer keinen Stress hat, arbeitet wohl nicht hart genug…und das möchte sich keiner nachsagen lassen. Obwohl diese Menschen unter ihrem dauerhaften Stress leiden, geben sie es ungern zu, dass sie eigentlich fix und fertig sind und sich wirklich mal eine Erholungspause wünschen. Sie nehmen also die negativen Auswirkungen ihrer stressvollen Situation bewusst in Kauf.

Aber es geht sogar noch eine Stufe weiter und auch aus dieser Liga kenne ich einige Vertreter.  Hier wird Stress als Symbol für den eigenen Wert und die Leistungsfähigkeit sogar gefeiert. Ganz nach dem Motto „Da geht immer noch mehr“ gibt es Menschen, die sich permanent unter die Herausforderung stellen, noch mehr und mehr zu leisten und dabei erfolgreich zu sein. Sie sind wahnsinnig stolz darauf, jeden Tag bis auf die letzte Minute durchgetaktet zu erleben. Vom Erwachen bis zum Einschlafen. Immer „on air“, immer aktiv! Sie sind jede Minute ihres Tages wichtig! Die negativen Auswirkungen von Stress, die natürlich auch sie irgendwann treffen, ignorieren sie zunächst gekonnt. Sie sind der Preis für ihren Erfolgs und nicht weiter der Rede wert!

Warum sind wir alle von Stress betroffen?

Was zunächst so überspitzt und irritierend klingt, ist es auf den zweiten Blick nicht mehr. Stress und seine Stressoren sind in unserer heutigen Welt allgegenwärtig! Schaut euch mal bewusst in euren Firmen, im Freundes- und Bekanntenkreis oder in euren Familien um! Wenn ihr es nicht selbst seid, dann werdet ihr mit absoluter Sicherheit Menschen treffen, die entweder dauerhaft unter Stress leiden oder ihn sogar auf solch verdrehte Weise als Statussymbol feiern. Oder geht mal morgens zur „Rush Hour“ in einen Coffee Shop und macht euch die Geschwindigkeit bewusst, mit der dort alles abläuft! Eilige Schritte in den Laden, ungeduldige Blicke auf die Uhr, kurze und knappe Bestellung, wuselige Kaffee-Zubereitung am Fließband, alle Getränke „to go“ und mit schnellen Schritte wieder hinaus. Selbst wenn ihr völlig entspannt in eine solche Umgebung gelangt, werden euch die hektischen Energien der anderen Menschen unbewusst beeinflussen. Oftmals schleicht sich Stress als leiser Zeitgenosse in unser Leben und wir merken es nicht einmal, bis wir uns auf einmal völlig gestresst und ausgelaugt fühlen.

Gleichzeitig sind wir es gewohnt, dass Leistung und Aktiv sein mehr zählen als Entspannung und Ausruhen. Das männliche Prinzip „Yang“ treibt uns an, viel zu arbeiten, zu schaffen und zu meistern. Wir sind ständig dabei, unsere Energie und Kraft in Form von Ergebnissen und Taten nach außen zu bringen und vergessen schlichtweg das Auftanken. Obwohl es hier um das männliche Prinzip geht, nehmen sich Männer und Frauen in dieser Hinsicht kaum etwas. Auch wir weiblichen Wesen verbringen einen Großteil unseres Tages in der männlichen Energie des Schaffens, Leistens und Kontrollierens. Dabei ist für uns alle das weibliche Prinzip von ebenso großer Wichtigkeit. Entspannen, schlafen, zurückziehen, loslassen, vertrauen und fühlen gehört für uns zu einem ausgeglichenen Leben dazu, ob wir das jetzt schick finden oder nicht! Unser Körper und Geist legen keinen Wert auf Modeerscheinungen wie Dauer-Stress und Durchgetaktet sein. Gleichwohl streben sie aber nach Balance. Zur Anspannung gehört Entspannung. Zum Zeitdruck gehört Zeitlosigkeit. Zum Schaffen gehört Sein lassen. Zu Yang gehört Yin.

Doch wenn wir nicht selbst die Kunst zu entspannen erlernen und uns zurück in diese Balance führen, wird es keiner für uns tun. Dies sollten wir uns als Allerwichtigstes bewusst machen…