„Zu den energieliefernden Hauptnährstoffen zählen Fett, Eiweiß, Kohlenhydrate und Zucker“, behauptete ich vor rund 15 Jahren in meinem Hauswirtschaftskurs in der Oberstufe. Natürlich wurde diese Aussage mit einer schlaumeiermäßigen Verbesserung quittiert. Klar, Zucker gehört zu den Kohlenhydraten und dieses Fauxpas wird mir bestimmt nicht wieder unterlaufen. Aber wäre dieser „Fehler“ auch in einem anderen Umfeld bemerkt worden? Wohl kaum! Denn was wissen wir schon über unsere Nährstoffe,  aus denen unsere tägliche Nahrung besteht?

Auch ich lerne täglich etwas dazu, denn das Feld der Ernährungslehre ist unendlich weit, unendlich spannend und auch unendlich verwirrend. Wenn ich ein neues Lebensmittel entdecke, hilft mir immer die Rückbesinnung auf die Qualität und Quantität der einzelnen Nährstoffe. Daher möchte ich nun für euch eine kleine Kolumnenreihe starten und allgemein die Hauptnähstoffe unter die Lupe nehmen. Los geht’s mit dem Eiweiß bzw. Protein.

Warum ist Eiweiß für den Körper so wichtig?

Der Hauptnährstoff Eiweiß wird oft als „Baustein des Lebens“ bezeichnet und das trifft meiner Meinung nach auch sehr gut die Aufgaben in unserem Körper, die dieser Hauptnährstoff innehat. Im Wesentlichen ist er am Aufbau von Zellen, Geweben, Enzymen und Hormonen beteiligt. Eiweiße sprießen aus unserem Kopf und umschließen unseren Körper. Am bekanntesten ist wohl der Einfluss auf den Muskelaufbau den Eiweiß unumstritten hat.

Die Eiweißvorräte in unserem Körper dienen nicht der primären Energieversorgung, wie das bei den anderen beiden energieliefernden Nährstoffen Kohlenhydraten und Fett der Fall ist. Machen wir jedoch eine Crash-Diät und nehmen zu wenig Energie über die Nahrung auf, knabbert unser Körper auch irgendwann an unseren Eiweißvorräten. Entweder werden die in Leber, Milz und Muskeln gespeicherten Eiweiße direkt in die Energiegewinnung eingeschleust oder zum Wiederaufbau von Glucose verwendet. Wertvolle, energieverbrennende Muskelmasse wird abgebaut, der Energiebedarf sinkt dadurch, und bei normaler Energiezufuhr landen die Pfunde wieder auf den Hüften – im Volksmund „Jojo-Effekt“ genannt.

Wie viel Energie steckt in Eiweiß?

Ein Gramm Eiweiß liefert vier Kalorien und somit genauso viel Energie wie ein Gramm Kohlenhydrate (ein Gramm Fett kommt auf neun Kalorien). Generell sind Eiweiße aus den sogenannten Aminosäuren kettenförmig nach der sogenannten Aminosäuresequenz aufgebaut, welche, einfach ausgedrückt, von unserer DNA bestimmt wird. Biochemisch gesehen sind Proteine der Knaller, sie tauchen in unterschiedlichen Formen und räumlichen Anordnungen auf. Ein Beispiel für die Veränderung der räumlichen Struktur von Eiweiß ist, wenn durch mechanische Einwirkung wie dem Schlagen mit dem Schneebesen aus Eiweiß plötzlich Eischnee wird.

Insgesamt gibt es 20 Aminosäuren, acht von Ihnen sind essentiell, das bedeutet lebensnotwendig. Unser Körper kann sie nicht selbst herstellen und sie müssen daher unbedingt mit der Nahrung aufgenommen werden. Die essentiellen Aminosäuren heißen: Isoleucin, Leucin, Lysin, Methionin, Phenylalanin, Threonin, Tryptophan und Valin. Jetzt wisst ihr auch was hinter dem körperverwandten Baustein Lysin in der Werbung für Kopfschmerztabletten steckt – es ist schlichtweg eine Aminosäure. Während der Verdauung in unserem Körper wird das Eiweiß in diese einzelnen Bausteine zerlegt. Aus ihnen wird anschließend wieder körpereigenes Eiweiß zusammengesetzt. Mich fasziniert dies sehr. Unser Körper ist ziemlich smart, oder? Beim Aufbau von Körpersubstanz gibt es die sogenannte limitierende Aminosäure. Das ist die mengenmäßig am wenigstens enthaltende Aminosäure, die bestimmt, wie viel körpereigenes Eiweiß aus dem zugeführten Eiweiß aufgebaut werden kann. Soll mehr aufgebaut werden, muss die quantitative Zufuhr erhöht werden.

Wie gut können wir Eiweiß verwerten?

Vielleicht habt ihr schon einmal den Begriff „biologische Wertigkeit“ gehört? Besonders im Zusammenhang mit Ergänzungsprodukten wird oft davon gesprochen. Sie gibt an, wie viel Körpereiweiß durch aufgenommenes Nahrungseiweiß aufgebaut werden kann. Die Bezugsgröße ist hierbei 100, welche dem Eiweiß eines Hühnereis entspricht. Nun habt ihr die Erklärung, warum sich Rocky Balboa vor dem Training 7 Eier in eine Tasse Brühe schlägt. Hühnereieiweiß kann also zu einem sehr großen Teil in Körpereiweiß umgewandelt werden.

Pauschal gesagt weisen tierische, eiweißreiche Lebensmittel wie Eier, Fleisch, Fisch und Kuhmilch eine höhere biologische Wertigkeit auf als pflanzliche. Doch die unerwünschten Begleitstoffe wie Cholesterin, Purin oder tierisches Fett möchte ich an dieser nicht verschweigen. Aber auch die biologische Wertigkeit von Kartoffeln, Reis und Soja kann sich durchaus sehen lassen. Kombiniert man tierisches und pflanzliches Eiweiß wie zum Beispiel Spiegeleier mit Kartoffeln lassen sich Werte weit über 100 erzielen. Besonders wichtig ist dies für Personen, die zum Beispiel aufgrund einer Nierenerkrankung auf die Proteinzufuhr achten müssen und trotzdem für die Aufbauprozesse hochqualitatives Eiweiß benötigen. Weizenprotein in Kombination mit Sojaprotein ist zum Beispiel eine rein pflanzliche Kombination, mit der ihr eine hohe Wertigkeit erzielen könnt.

Wie viel Eiweiß brauchen wir täglich?

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, die in meiner Ausbildung als auch im Studium als Maßstab galt, sollten 10 bis 15 Prozent der täglich aufgenommenen Energie über den Nährstoff Eiweiß geliefert werden. Eine andere Zahl, die genannt wird, sind 0,8 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht bei Normalgewicht. Aminosäuren, die vom Körper nicht benötigt werden, werden unter anderem zu Harnstoff umgebaut und über die Nieren ausgeschieden. Eiweißmangel kommt in Industrieländern außer bei extrem eiweißarmen Kostformen so gut wie nicht vor. Ganz anders sieht das natürlich aus, wenn Menschen Hunger leiden müssen. Wir alle kennen bestimmt aus den Medien unterernährte Kinder mit dünnen Ärmchen und einem aufgeblähten Bauch. Sie leiden an der Eiweißmangelkrankheit Kwashiorkor und der dicke Bauch entsteht durch Wassereinlagerungen.

Eine ausreichende quantitative Zufuhr von Eiweiß halte ich für sehr wichtig, da es die oben beschriebenen, bedeutenden Funktionen in unserem Körper ausübt. Zudem macht Eiweiß satt und unterstützt unser Immunsystem. Jedoch macht kein einzelner Nährstoff den Wert einer Ernährungsweise aus, es ist immer ein Zusammenspiel. Nehmt ihr euer Eiweiß durch fettige Wurst zu euch, tut ihr eurem Körper nichts Gutes. Haltet euch besser an pflanzliche Eiweißquellen und ergänzt diese mit mageren, tierischen Eiweißquellen.

Eweiss-ist-wichtig-für-Veganer

Haben Veganer ein Eiweißdefizit?

Ihr kennt vielleicht den folgenden Satz aus den sozialen Netzwerken: „Niemand hat sich je um meine Eiweißversorgung gesorgt, bis ich gesagt habe, dass ich Veganer bin.“ Rein pflanzliche Ernährungsweisen oder die, die zu einem Großteil aus Pflanzenkost bestehen, machen zunächst den Anschein, dass Eiweiß Mangelware sei. Das stimmt so nicht.

Als Veganer müsst ihr die Eiweißzufuhr vielleicht etwas bewusster gestalten, als jemand der gewohnheitsmäßig viele Milchprodukte, Eier und Fleisch isst. Folgende Lebensmittel zeigen sehr gute pflanzliche Proteinquellen: 100 g Tofu liefern 10 g Eiweiß, ein Glas Sojamilch kommt auf 6 g, 1 Portion Linsen (40 g, getrocknet) kommen ebenfalls auf 10 g, 125 g gegarte Erbsen liefern 7 g. So ist dieser einfache Tofu-Linsen-Salat auf dem Foto voller pflanzlicher Eiweißquellen. Und selbst dort, wo ihr es zunächst nicht vermutet, steckt einiges an Eiweiß drin. In zwei Scheiben Vollkornbrot sind zum Beispiel 9 g Eiweiß enthalten. Schaut einfach mal bei den Nährwertangaben auf den Lebensmittelverpackungen nach und ihr werdet überrascht sein, wo sich überall Eiweiß versteckt.

Ich hoffe, ihr habt durch diese kleine Lerneinheit eine genauere Vorstellung von diesem wertvollen Nährstoff und seiner Bedeutung für unseren Körper bekommen. Welchen Stellenwert er speziell in eurer Ernährung spielt, solltet ihr immer individuell von eurem Lebensstil und eurem Wohlbefinden abhängig machen.

Viele Grüße und bis bald

Verena