„Kristin, kannst du das glauben? Wir schmeißen hier in Deutschland jedes Jahr über 80 Kilogramm Lebensmittel weg?“ Diese Frage stellte mir meine liebe Freundin und Gastautorin Verena bei meinem letzten Besuch in München. „Unglaublich! Das wusste ich gar nicht“, antwortete ich ihr nachdenklich. Klar, irgendwie hat jeder von uns ein vages Gefühl dafür, dass vielleicht mehr Lebensmittel im Mülleimer landen, als es notwendig wäre. Hier mal wieder zu viel eingekauft und dort das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten – dies sind wohl die typischen Gründe für den heimischen Food-Waste.
Aber mehr als 80 Kilogramm pro Person pro Jahr? Das ist wirklich viel und gerade deshalb war uns dieser Artikel ein echtes Anliegen! Clean Eating sollte unserer Ansicht nach nicht nur ganz vorn beim gesunden und ökologischen Einkaufen anfangen, sondern sich auch über die angemessene Wertschätzung unseres Essen bis zur – am besten – vollständigen Verwertung unserer Nahrung ausdehnen. So geht die liebe Verena genau diesem Gedanken heute auf die Spur und teilt ihre besten Tipps zur perfekten Essenverwertung und Vermeidung von Food-Waste mit uns.
Food-Waste ist ein echtes Problem bei uns!
„82 Kilogramm Lebensmittel schmeißt jeder Bundesbürger jährlich in die Tonne “, dudelt es aus meinem Küchenradio, während ich in selbiger gerade den Wocheneinkauf verstaue. Die Zahl schlägt bei mir wie ein Blitz ein. „82 Kilo – so viel wiegt ein ausgewachsener Mann“, dämmert es mir, und sofort kriecht Scham in mir hoch. Der Blick in meinen Mülleimer verstärkt dieses Gefühl. Da liegen zwei abgelaufene Joghurts, drei ausgetrocknete Scheiben Käse, schimmelige Karotten und fast ein halbes Brot mit grünen Stellen. Da liegt ein gutes und nahrhaftes Abendessen für zwei Personen, da liegen 4,50 Euro und da liegt die Arbeit von vielen Menschen im Dreck. Das ist richtiger Mist.
Gerade ich als Ökotrophologin und Diätassistentin, die sich schon ihr halbes Leben lang mit Lebensmitteln auseinandersetzt, müsste es doch besser wissen. Gerade mir dürfte so etwas doch nicht passieren. Tut es aber, und das macht mich richtig wütend. Du kennst sicher den Spruch von den armen Kindern in Afrika, die sich über das Essen gefreut hätten, was du als Kind nicht mehr essen wolltest. Auch dieser kommt mir in den Sinn, und ich denke an die Menschen, die nichts zu essen haben oder sich so hochwertige Lebensmittel, wie sie gerade bei mir in der Tonne landeten, nicht leisten können. Okay, die moralische Keule lasse ich jetzt mal stecken und ich möchte und kann auch nicht dem Thema Welternährung an dieser Stelle gerecht werden.
Wie sehr wertschätzt du deine Nahrung?
Im Kern spitzt sich alles auf das Prinzip der Wertschätzung zu – Wertschätzung gegenüber den Lebensmitteln und ihren Produzenten, Wertschätzung gegenüber der Umwelt, Wertschätzung gegenüber des eigens verdienten Geldes.
Für mich ist es eine sehr große Herausforderung, weniger Lebensmittelabfälle zu produzieren, denn ich probiere sehr gerne Neues aus. Für mich sind Supermärkte spannender als jedes Klamotten-Outlet. Ob lila Kartoffeln, essbare Blüten, Pistazienaufstrich mit Mangostückchen, Popcorn mit Kokosgeschmack – ich kann nicht widerstehen. Und so kaufe ich oft viel mehr ein, als das, was ich tatsächlich brauche und auch essen kann. Dazu bin öfters mal beruflich unterwegs und plane nicht ein, dass ich gar nicht so viel einkaufen müsste, weil ja niemand daheim is(s)t.
Clevere Food-Waste-Tipps für weniger Lebensmittel im Abfall
Nach dieser frustrierenden Situation und der Selbstanalyse habe ich ein paar Dinge ausprobiert und mir bewusst gemacht, was ich alles tun kann und was ich auch schon gut mache, um Lebensmittelabfälle zu vermeiden. Diese praxiserprobten Tipps möchte ich dir gern weitergeben, wenn deine Selbstanalyse ein ähnlich gemischtes Gefühl wie bei mir ergeben hat.
Saubere Bestandsaufnahme vor dem Einkauf
Gewöhne dir an, vor jedem Lebensmitteleinkauf eine Bestandsaufnahme zu machen. Welche Lebensmittel sind noch vorhanden? Was brauche ich wirklich? Nur das kommt auf deinen Einkaufszettel und landet später im Einkaufskorb.
Vorausschauende Essensplanung nach Mahlzeiten
Ein weiterer guter Tipp sieht vor, bei der Einkaufsplanung in Mahlzeiten und Gerichten zu denken und auf dieser Basis einen gezielten Einkaufszettel zu schreiben. Stell dir Fragen wie: Was kann ich mit auf die Arbeit nehmen? Was will ich meinem Besuch anbieten? Was packe ich mir für meine Geschäftsreise ein? Welche Zutaten brauche ich für das leckere Curryrezept, das ich in einer Zeitschrift entdeckt habe?
Nicht hungrig einkaufen gehen
Ja, ich weiß, das hast du schon eine Million Mal gehört. Es klappt aber zumindest bei mir. Gehe ich mit einem Bärenhunger z.B. direkt nach der Arbeit einkaufen, sieht mein Einkaufswagen wie der einer Sechsjährigen aus und ist vollgepackt mit Süßkram, Leckereien und Spontankäufen.
Ein Goodie darf für die liebe Seele sein
Damit das Einkaufen auch den Impulskäufern wie mir Spaß macht, erlaube dir bei jedem Einkauf, ein Goodie mitzunehmen. Das kann eine absolute Neuheit sein, die dir über den Weg läuft oder ein Must-Have, an dem du schon so lange vorbeigegriffen hast. Gönne es dir! Aber nur das eine! Du hast dich für den exotischen Tee entschieden, dann gibt es die neue Gewürzmischung nicht. Basta!
Challenge dich selbst im Restekochen: Irgendwas geht immer!
Obwohl der Füllstand des Kühlschranks anzeigt, dass Einkaufen angesagt ist, wird sich schon noch irgendwas aus den vorhandenen Lebensmitteln zaubern lassen – etwa eine wilde Gemüsepfanne. Eines meiner Lieblingsgerichte ist aus dieser „Not“ entstanden. Ein Rest kleiner, gekochter Nudeln und die Handvoll nicht mehr ganz so frischer Blattspinat kamen mit Kidneybohnen und Kichererbsen aus dem Vorratsschrank, einer leicht scharfen Paprikagewürzmischung und Kokossahne groß raus.
Halt noch einen Tag aus!
Dieser Tipp schließt an den vorherigen an. Man muss nicht immer an den gleichen Tagen einkaufen gehen, weil man das halt so macht. Entscheide lieber bewusst danach, wieviel und was noch da ist und ob du nicht doch noch ein leckeres „Resteessen“ zaubern kannst.
Eine zweite Chance geben
Ein Learning von mir war auch: Nicht immer alles sofort wegzuwerfen, was nicht mehr 100%ig schön ist, sondern lieber alternative Verwendung dafür zu finden. Nicht mehr ganz so schönes Obst und Gemüse kriegen ein Comeback als Smoothie. Nicht mehr ganz so knackige Äpfel kommen als Apfelmus groß raus. Fleckige Bananen schneide ich in Stücke und friere sie für die spätere Verarbeitung zu Nicecream ein. Und meinen Meerschweinchen ist es auch egal, ob die Kohlrabiblätter schon etwas gelblich sind. :-) Wir sind auch nicht perfekt. Warum muss es dann unser Essen immer sein?!
Give-Away an Familie und Freunde
Der neu gekaufte Brotaufstrich ist leider gar nicht nach deinem Geschmack? Verschenke ihn einfach weiter an Freunde oder die Arbeitskollegen, die darauf stehen, anstatt ihn vergammeln zu lassen und am Ende wegzuwerfen. Jeder Geschmack ist anders.
Cleveres Meal Prepping am Wochenende
Oft stehe ich sonntags mit lauter Musik in der Küche und bin am Schnippeln und Köcheln. Dabei verarbeite ich sehr viele Lebensmittel zu Sattmachersalaten und Pfannengerichten, die ich dann in Mitnehmboxen verpacke. So habe ich für die ersten Tage der Woche meinen Büromampf parat und meinen Einkauf sinnvoll verarbeitet.
Teile dein Essen mit anderen!
Last but not least: Wenn ich es beim Einkaufen mal wieder übertrieben habe, koche ich größere Portionen und bringe meiner Kollegin was mit oder backe einen Kuchen für das Team. Trägt nicht nur zum guten Gewissen, sondern auch zur allgemeinen Beliebtheit bei und stoppt mit gutem Gewissen den Food-Waste!
Es gibt noch eine Fülle weiterer Tipps zur gezielten Lebensmittelverwendung und zur Vermeidung von Food-Waste. Das sind die Ratschläge, die für mich funktionieren – vielleicht ja auch für dich? Probiere sie mal aus! Meiner Erfahrung nach verändert sich schon sehr viel, wenn wir bewusst die Entscheidung treffen, weniger Lebensmittel wegzuwerfen.
Dabei rate ich unbedingt davon ab, dich selbst mit dem erhobenen Zeigefinger zu maßregeln, wenn es mal nicht klappt. Betrachte es eher als positive Challenge und kleines Spiel, bei dem du gewinnen willst, und verliere bitte nicht die Freude am Einkaufen, Kochen und Essen.
Viele Grüße, Verena
PS: Übrigens gibt es auch auf YouTube eine spannende Doku zu dem Thema. Wer noch tiefer eintauchen möchte: Doku über Lebensmittelverschwendung.
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