Vor über einem halben Jahr habe ich mit meinem Experiment begonnen. Ich lebte von heute auf morgen vegetarisch. Kein Fleisch. Kein Fisch. Keine Gelantine usw. Es war zunächst als Versuch für 3 Monate gedacht. Doch als ich festgestellt habe, dass mir in den 3 Monaten nichts gefehlt hat, bin ich dabei geblieben. Bis zur Weihnachtszeit.

Auf einmal fing ich an, Appetit auf Fisch zu bekommen, wenn ich ihn gesehen bzw. gerochen habe. Ich habe mir Gedanken gemacht, was das jetzt soll, warum diese Gelüste auf einmal nach 6 Monaten auftraten. Doch ich habe nicht nachgegeben und der Appetit auf Fisch wurde stärker. Ich habe oft daran gedacht, wenn ich einkaufen war oder wenn ich überlegt habe, was ich kochen möchte. Es ging sogar so weit, dass ich von anfing, von Fisch zu träumen. Das war für mich das Zeichen, dass dieser Wunsch nicht umsonst da war. Mein Körper sendete mir eindeutige Signale, die nicht nur dauerhaft anhielten, sondern auch mit der Zeit stärker wurden. Kurz vor Weihnachten gab ich nach. Ich habe mir eine Packung Wildlachs gekauft und eine Scheibe davon auf einem frischen Vollkornbrötchen gegessen. Das tat mir so gut und ich hatte beim Essen tatsächlich ein Lächeln auf dem Gesicht, statt ein schlechtes Gewissen zu haben.

Durch diese Erfahrung ist mir erst bewusst geworden, wie plakativ die Begrifflichkeiten sind. In welche Schublade gehöre ich? Vegetarier, Veganer, Pescetarier, Ovo- oder Lakto-dingsbums? Ich habe ehrlich gesagt keine Lust mehr, mir darüber den Kopf zu zerbrechen. Ich bin über diesen Punkt hinaus.

Stempel

Seit meinem Fischerlebnis bin ich eben keine strikte Vegetarierin mehr. Ich esse ab und zu Fisch. Vielleicht 2-3 Mal im Monat. Den Fisch kaufe ich aus nachhaltiger Fischerei, sofern ich dem größten Siegel MSC glauben kann. Ansonsten ernähre ich mich weiterhin vegetarisch, an manchen Tagen in der Woche sogar komplett vegan. Ich bin weitestgehend aufgeklärt, über die fiesen Missstände der Tierhaltungs- und auch Fischfangindustrie und ich verabscheue sie zutiefst. Über dieses Wissen, dass ich mir angelesen habe, bin ich sehr dankbar. Ich kann nun tatsächlich selbst entscheiden, ob es mir das wert ist, einen Fisch oder eine Packung normale Kuhmilch zu kaufen. Immer mit dem Wissen im Hinterkopf, was dieser Kauf bedeutet. Beim Fisch sage ich vielleicht mal ab und zu „ja“, bei Milch greife ich eher zur pflanzlichen Alternative. Ich entscheide.

Für mich ist diese bewusste Nahrungsauswahl das Wichtigste. Ich trage durch meinen bewussten Konsum dazu bei, die zum Teil grausame Lebensmittelindustrie, die in meinen Augen nicht nur Tierleid sondern auch Menschenleid in Form von modernen Krankheiten wie Allergien, Diabetes etc. erzeugt, einzudämmen. Von daher ist der Begriff für mich nicht mehr wichtig. Es braucht sich kein Vegetarier mit einem Veganer über Ansichten streiten. Vielmehr geht es darum, dass jeder seinen Beitrag leistet, aber sich niemand geißelt, weil er sich mal nicht an die Regeln gehalten hat und eben nicht in eine der bekannten Schubladen passt. Kathrin von Kongruentes Chaos hat es mal so schön geschrieben: „Besser geht immer. Schlechter aber auch.“

Wenn es euch also ähnlich geht oder ging wie mir, weil ihr euch Gedanken macht, ob ihr nun vegetarisch leben sollt oder warum ihr es einfach nicht schafft, komplett vegetarisch/ vegan zu leben! So what! Macht euch keinen Kopf, sondern lieber Gedanken um euren nächsten bewussten Einkauf! Hört auf euren Körper, auf was er wirklich Lust hat. Und wenn er dauerhaft nach Fisch oder Käse oder was auch immer schreit, dann hört auf ihn und erfüllt ihm ab und zu mal den Wunsch. Vielleicht weiß er mehr als ihr.

Es ist schon allein so viel wert, dass ihr euch überhaupt Gedanken um euer Essen macht, zeitweise vegetarisch oder vegan lebt und eure Einkaufsquellen sorgfältig auswählt. Denn gleichzeitig gibt es noch so viele Menschen, die völlig ahnungslos und unaufgeklärt durch die Supermärkte laufen und sich freuen, wenn es das Kilo Schweinemett mal wieder so richtig billig für 1,99€ im Angebot gibt. Woher es kommt und was es bedeutet, wenn es so billig ist, darüber machen sie sich leider keine Gedanken.

Alles Liebe Kristin